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Snow in the sun
Thursday, 15. December 2016 19:55
Por: Dr. med. vet. Christiane Haupt
Bernice

Bernice: Rumänien schickt seine schönsten Segler! © C. Haupt

Pancho und Andrea

Pancho und Andrea - die Startmannschaft ist ebenso international wie die Mauerseglertruppe! © C. Haupt

Snow

Snow (noch nicht) in the sun … © C. Haupt

Sahel & (Johnnie) Walker

Auch Österreich hat einiges zu bieten: Atarah! Ihr Blick sagt alles … "Lass mich nur einen Moment aus den Augen und ich bin WEG …" © C. Haupt

Aladin

Die unbändigbare Sahel und ihr sanfter Freund (Johnnie) Walker. © C. Haupt

Himbeere

Aladin - ein Märchen aus 1001 Nacht. © C. Haupt

Caius

Neugierig, freundlich und immer leicht verpeilt: Himbeere! © C. Haupt

Garibaldi

Caius' verträumter Blick lässt noch nicht ahnen, was für eine Rakete er in Wirklichkeit ist! © C. Haupt

Alessio

Garibaldi der Freiheitskämpfer! © C. Haupt

Diletta

Ein sanfter Riese: Alessio! © C. Haupt


Die Gangart in der Mauerseglerklinik hat sich durch erneute Einbrüche in der ohnehin schütteren Anzahl unserer verbliebenen Helfer, durch Krankheit, chronische Schmerzen, totale Erschöpfung und einen familiären Notfall weiterhin verschärft. Aber wie erklärt man das unseren wundervollen „Winterseglern“, die Hunger haben und gefüttert werden müssen, die voller Unrast sind und trainiert werden sollen, die fliegen und frei sein wollen und neue Federn benötigen! Gar nicht. Man arbeitet eben noch härter und noch mehr. Es ist, wie es ist. Und so sind die 12 Segler, die ich nach einem elend langen Fütterungsabend am Montagmorgen zu wahrhaft gotteslästerlich früher Stunde in die Reisetasche setze, das Ergebnis eines entbehrungsreichen und knochenharten Arbeitsmarathons, und garantiert nicht des letzten in diesem Winter!

Komatös verdöse ich den Flug. Der müde Blick nach draußen, bei der Landung auf Fuerteventura, ist nicht gerade dazu angetan, meine Laune zu heben: wolkig, regnerisch, kühl. Scheint aber nur so. Auf dem Weg zur anderen Inselseite wird es schon besser. Die Sonne ist doch noch da! Auf der Finca angekommen, müssen die ungeduldigen Segler noch eine ganze Weile warten. Der Weg ins Appartement führt durch eine liebesbedürftige und etwas grobmotorische 13köpfige Hundemeute, jeder einzelne ungefähr zwei Köpfe größer und 15 kg schwerer als ich. Im Appartement wieder zu Atem gekommen, muss ich zunächst auspacken, die Seglerboxen herrichten und den Fütterungsplatz vorbereiten, dann geht es endlich mit Füttern los. Alle sind durstig und hungrig. Nachdem jeder außer mir satt und zum Verdauungsschläfchen unter den Kuscheltüchern verschwunden ist, sause ich über die kilometerlange holprige Schotterpiste zur nächsten Ortschaft. Einkaufen, vor allem Kaffee. Wieder zurück. Den Schock meines Lebens kriegen, denn in der Zwischenzeit ist ein Segler ausgebüxt. Ich finde die unternehmungslustige Atarah schließlich unter dem Tisch. Uff. Schnell was essen. Und die nächste Fütterung! Einem gemütlichen Nachmittag und Abend mit den 12 Glücklichen, die morgen starten sollen, steht nichts mehr im Wege. Nach der letzten Runde genieße ich einen herrlichen Vollmond und falle ins Bett, eine Wohltat nach zwei schlaflosen Tagen und Nächten.

Große Aufregung am nächsten Morgen. Zwei reichliche Grillenmahlzeiten vertilgen die Segler noch. Vor den Fenstern: 17 Sonnen am Himmel. Lauer Wind. Alles perfekt! Um elf Uhr marschiert die Startmannschaft auf und wir verlassen die Finca Richtung La Oliva. Am bewährten Startplatz nehmen wir Aufstellung. Andrea und Pancho studieren die Startliste, und dann geht‘s los! Die flotte Österreicherin Atarah, die gestern schon geübt hat, macht den Anfang. Keine Gardinen mehr, keine blöden Tische im Weg, - freie Bahn in die Höhe! Sahel aus Offenbach, nervös und ungebärdig, ist die nächste, die mühelos den Himmel erobert. Gleich gefolgt von ihrem zarten, zierlichen Gefährten Walker aus Seeheim (seinen Vornamen „Johnnie“ verdankt er Alexandru!). Da stehe ich mit offenem Mund, denn einen solchen Senkrechtstart hätte ich dem Kleinsten der Gruppe gar nicht zugetraut! Anschließend zeigt uns die elegante Anna aus Berlin, wie souverän und selbstsicher ein Altsegler die Situation meistert. Ein recht dickköpfiger Altsegler, nebenbei bemerkt. Das nun wieder hatte ich nicht anders erwartet. Das Schlusslicht der ersten Startgruppe ist unser Wunderkind Aladin aus Ulm, der nach einer Coracoidfraktur im Nestlingsalter so vollständig genesen und dank ausgiebiger Physiotherapie so stark und gut geworden ist, dass er heute wie ein Pfeil über die Talsenken hinweg himmelwärts schießt. Aladin, unser Märchensegler!

Die zweite Startgruppe beginnt mit unseren Rumänen, die schon die ganze Zeit in ihrer Box randalieren. Unbändigbare Kämpfer, wie üblich! Die wunderschöne Bernice steigt wie ein Komet empor. Den Schlachtruf „For Romania!“ hat der altehrwürdige Montana de Tindaya schon öfters vernommen. Den nächsten Kommentar hingegen kennt er noch nicht. Mit großer Erleichterung entlasse ich die wilde, völlig durchgeknallte Niège, auch Snow genannt, in die Freiheit. Sie stiebt direkt zur Sonne empor, und ich kann mir den Joke nicht verkneifen, laut zu rufen: „Snow in the sun!“ Und ebenso rasch ist sie verschwunden. Auch die schlanke, windschnelle Daria, die mich seit ihrer letzten OP noch weniger leiden kann als zuvor, fackelt nicht lange und stürmt auf schimmernden Schwingen in die Höhe. Nichts wie weg!!

Caius aus Hofheim wechselt die Persönlichkeit in derselben Sekunde, als ich ihn aus der Box nehme und er die prachtvolle Landschaft vor sich sieht: Aus dem gemütlichen, gefräßigen Jungspund wird ein Feuerwerkskörper, der mir in den Händen explodiert und nur noch Rauchwolken hinterlässt. Seine wohlbeleibte, fröhliche Partnerin Himbeere aus Egelsbach (3x darf der geneigte Leser raten, warum das einstige Küken so genannt wurde!) tut sich etwas schwerer, den dicken Bauch über die nächste Hügelkuppe zu hieven, doch dann nimmt die fliegende Himbeere Fahrt auf und nutzt die Aufwinde des angrenzenden Tales. Garibaldi der Rebell, aus Oberhausen stammend, ist der Vorletzte! Und wer schon mit total zerlöchertem, abgebrochenem Gefieder im Trainingszimmer herumschoss wie Speedy Gonzales, der hat mit prachtvoll geschifteten Fittichen erst recht kein Problem, den Himmel zu erobern! Zuletzt der große, sanfte und freundliche Alessio aus Osnabrück, dessen kleine Freundin Diletta leider in Frankfurt zurückbleiben musste, da sie beim Abschlusstraining eine große Schwungfeder verlor. Alessio fliegt für beide, und auch für den verstorbenen Dritten im Bunde: Florial. Sie waren „Hackfleischopfer“, von einem völlig uneinsichtigen und leider weiterhin praktizierenden „Experten“ fast zu Tode gefüttert, - Florial hat die Fehlfütterung dann wirklich das Leben gekostet. An ihn muss ich denken, als der aufwendig gerettete Alessio stark und unbeirrt im azurblauen Himmel verschwindet, im blendenden Sonnenlicht… Wie vielen wird durch grundfalsche Fütterung und ignorantes Beharren auf alten Irrtümern jede Chance auf Freiheit und Leben genommen!

Doch die traurigen Gedanken sind wie fortgeweht, als wir nach diesem brillanten Start zu jubeln und zu klatschen beginnen. Irritiert erlebt der ehrwürdige Berg abermals tanzende Derwische auf seinen Hängen. Die dann aufeinander zu rennen, sich in die Arme fallen, sich auf die Schultern klopfen und wild durcheinander quasseln. Kauderwelsch auf Spanisch und Deutsch. Nein, das hätte es zu Zeiten der Guanchen nicht gegeben! Wenigstens bleibt dem Berg der Anblick eines Sektgelages erspart. Den Sekt habe ich im Trubel des Aufbruchs nämlich mal wieder daheim im Kühlschrank vergessen. Ist auch besser so, denn inzwischen knallt die Sonne gnadenlos auf unsere ungeschützten Häupter nieder. Blinzelnd suchen wir noch eine Weile den gleißenden Himmel ab, doch unsere Lieben haben sich allesamt mit Lichtgeschwindigkeit aus dem Staub gemacht. Wahrscheinlich sind sie schon auf halbem Weg nach Afrika, wo sie bestimmt Woody und Justinus und all die anderen treffen werden! Lebt wohl, ihr Zwölf, und genießt eure langersehnte Freiheit!

 

Buchenstraße 9
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