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Fehlernährung

Die Erfahrungen mit Mauerseglerpfleglingen in den letzten Jahren haben zu alarmierenden neuen Erkenntnissen geführt. Insbesondere Ernährungsfehler und ihre fatalen Folgen stehen hier an erster Stelle. Während insektenessende Singvögel ( z.B. Schwalben, Rotschwänze, Rotkehlchen, Grasmücken, Schnäpper, Zaunkönige...) bei falscher Fütterung sehr rasch zugrundegehen, reagiert ein fehlernährter Mauersegler in der Regel mit zeitverzögerten, aber nicht minder folgenschweren Schäden. Bei ihm scheint falsches Futter vorrangig zu Leberschäden und sekundär zu den vielfach beobachteten Gefiederdefekten zu führen. Defekte Schwungfedern jedoch sind für einen Dauerflieger das Todesurteil. Selbst auf nur kurzfristige, wenige Tage andauernde Fehlfütterung reagieren die meisten jungen Mauersegler bereits mit Schwungfederausfall oder Schäden des Federkiels und der Federfahne. Ebenfalls sehr häufig sind Durchfall, schwere Verdauungsstörungen sowie Skelettdeformationen.

 

Zwei junge Mauersegler, denen nach Fleischfütterung fast alle Schwungfedern ausgefallen sind. © C. Haupt

Verhängnisvollerweise sind viele Futtermittel, die sich inzwischen als äußerst schädlich erwiesen haben, seit Jahrzehnten bei der Fütterung junger Wildvogelfindlinge üblich und werden nach wie vor von vielen Fachleuten empfohlen. Dies ist umso schlimmer, als die Finder sich meistens ratsuchend an Personen wenden, die sie für kompetent bezüglich Tieren im allgemeinen und Vögeln im speziellen halten müssen. Es bleibt zu hoffen, dass viele "Irrtümer mit Tradition" baldigst einer artgerechten, an der Natur orientierten Ernährung von Vogelfindlingen weichen. Nur so kann man den unterschiedlichen Nahrungsansprüchen von Vogelpfleglingen verschiedenster Arten, für deren Vielfalt es kein "Universal-Rezept" gibt, annähernd gerecht werden.


Von welchen Futtermitteln sollte man nun also die Finger lassen, und was für Schäden bewirken sie?

Schwerste Gefiederschäden nach 14-tägiger Verabreichung einer Futtermischung aus Hackfleisch und "Aufzuchtfutter". © C. Haupt

Tartar / Hackfleisch / Mett

Die wohl älteste und am weitesten verbreitete Fehlinformation lautet, Mauersegler mit Hackfleisch zu füttern. Dabei müsste jeder, der einmal nachdenkt oder Mauersegler in freier Natur beobachtet, zwingend zu dem Schluss kommen, dass der Wahrheitsgehalt dieser Information ungefähr auf dem Niveau des die Babys ausliefernden Klapperstorches anzusiedeln ist. Und wenn man dann im Vogelbestimmungsbuch über die Lebens- und Ernährungsweise seines Pfleglings nachliest, wird noch dem Gutgläubigsten dämmern, dass er noch nie einen Mauersegler in jagendem Flug seine Reißzähne in harmlose Rinder und Schweine schlagen sah.

 

Also ad acta mit dem Hackfleisch-Märchen, das schon so viele Leben gekostet hat! Der Organismus eines Mauerseglers ist auf Fleischnahrung, noch dazu pures oder gar gewürztes Fleisch, nicht eingerichtet. Es ist unverständlich, warum sich dieser logisch nicht nachvollziehbare Fütterungshinweis derartig hartnäckig behauptet. Vielleicht, weil es für den Pfleger so sehr einfach ist. Ein weiterer Grund dafür mag sein, dass sich die fatalen Konsequenzen für den Mauersegler meist mit Zeitverzögerung einstellen. Der Verlust von Schwungfedern, der bei fast allen nur mit Hackfleisch gefütterten Mauerseglern auftrat, ereignet sich erst etwa 8-10 Tage nach der Ernährungsumstellung auf Insekten. Ein Zeitpunkt also, zu dem ein junger Mauersegler, wenn er denn Flugkondition erreichte, sich bereits in der Luft befände. In vielen Fällen kommt es gar nicht erst so weit, denn weitere Folgen der Hackfleisch-ernährung sind mangelnde Kalkeinlagerung im Skelett und Deformationen der Knochen, schwerste Verdauungsstörungen, Durchfall, Lebervergrößerung und Mangelerkrankungen. Die Gefiederstörungen reichen vom Ausfall einzelner Federn über vielfältige Defekte der Federfahnen, nicht abgelöste Federspulen und stumpfes, aufgefasertes Körpergefieder bis hin zum verminderten Wachstum und zum Totalverlust der großen Schwungfedern. Die Schwanzfedern weisen meist Schäden in ihrer Struktur auf und sind mangelhaft ausgebildet.

"Mehlwürmer", © I. Polaschek

Mehlwürmer

Nach wie vor gern für die Fütterung insektenessender Vögel empfohlen werden "Mehlwürmer", die fälschlich so genannten Larven des Mehlkäfers (Tenebrio molitor), die man in jeder Zoohandlung erhält. Doch muss dringend davor gewarnt werden, diese Würmer in größerer Anzahl und längerfristig (länger als 2-3 Tage) zu verfüttern. In ihrer Chitinhülle scheinen Substanzen enthalten zu sein, die auf Dauer schwere Leber- und Nierenintoxikationen hervorrufen.

Auch ist die Mehlwurmfütterung viel zu einseitig und führt zu Mangelerscheinungen und Skelettschäden. Besonders häufig kommt es zu den Symptomen des Vitamin-B-Mangels. Eine Unterversorgung mit dem Vitamin-B-Komplex hat Auswirkungen auf das Zentralnervensystem, die unmerklich mit Futterverweigerung und Zwangsbewegungen beginnen, sich binnen kürzester Zeit zu schweren Starrkrämpfen (Überschlagen, Kopf verdrehen, Kreisbewegungen) steigern und unbehandelt zu irreversiblen Nervenschädigungen und zum Tode führen. Ebenfalls treten fast immer Gefiederdefekte auf, vermutlich auch hier sekundär durch Leberschäden. Meist bleiben die Federspulen an den Kielen haften, und wenn man sie ablöst, ist die Federfahne darunter nicht richtig entwickelt. Federausfall ist häufig.

Bei Singvögeln wurden darüber hinaus bei längerfristiger ausschließlicher Mehlwurmfütterung hartnäckige Augenentzündungen bis hin zur Erblindung sowie Geschwüre im Kopfbereich, entzündliche Schwellungen der Füße, insbesondere der Gelenke, und Abszesse beobachtet.

 

Mehlwürmer - aber nur die zarten weißen, die sich gerade gehäutet haben - dürfen als Beifutter in geringer Anzahl (d.h. nicht mehr als 4-5 Stück pro Tag) an insektenessende Vögel verfüttert werden, oder als Notfutter kurzfristig für zwei oder drei Tage, falls man auf die Schnelle keine Grillen besorgen konnte. Darauf achten muss man, dass auch die Mehlwürmer frische, unverdorbene Nahrung erhalten (z.B. Haferflocken, Apfel, Löwenzahn). Denn wenn sie - wie in vielen Zoohandlungen zu sehen - nur in ihren eigenen, scharfriechenden Exkrementen herumwimmeln, können sie kein gutes Futter sein.

Abgeknickte Federn nach zweiwöchiger Madenfütterung. © C. Haupt

Maden

Fliegenmaden, im Angelgeschäft unter der Bezeichnung "Pinkies" erhältlich, sind als Futter für insektenessende Vögel gänzlich ungeeignet. Sie sind aufgrund ihrer stabilen, gummiartigen Umhüllung vom Magen des Vogels kaum aufzuschließen, so dass sie vielfach unverdaut wieder ausgeschieden werden. Selbst wenn man sie vor dem Verfüttern ansticht (was nicht jedermanns Sache ist), sind sie als Futtermittel abzulehnen, da sie einen sehr hohen Fettanteil aufweisen und als Ernährung viel zu einseitig sind.
Mauersegler, die mit Maden gefüttert wurden, sind meist hochgradig abgemagert und entwickeln Mangelerscheinungen sowie folgenschwere Defekte des Großgefieders. Hierbei handelt es sich häufig um kleine, kaum sichtbare Knickstellen im Federkiel, an denen die Schwungfeder später bei der geringsten Belastung bricht.

 

 

Folgen einer "Fettfutter"-Aufzucht. © C. Haupt

"Insekten-", "Fett-" und "Honigfutter"

Für einen Laien, der im Zoogeschäft dem breitgefächerten Sortiment verschiedenster Vogelfuttersorten gegenübersteht, ist es eigentlich unmöglich, das Richtige für einen hungrigen Nestling zu finden. Auch der Zoohändler dürfte kaum mit den sehr speziellen, art- und altersabhängigen Ernährungs-gewohnheiten einheimischer Wildvögel vertraut sein. Oft ist ein geeignetes Futter gar nicht vorrätig. Tückischerweise locken diverse "Insektenfutter" mit den Fotos von Mauerseglern und empfindlichen Singvögeln den arglosen Vogelfreund in die Irre. Denn wer die Inhaltsstoffe solcher Mischungen studiert, wird in fast allen Fällen dort Bäckereierzeugnisse wie Waffelbruch aufgeführt finden, die für das Verdauungssystem spezialisierter Insektenesser ungeeignet sind. Bei der Verfütterung von mit Wasser angerührtem Trockenfutter wurde wiederholt die Ausprägung von Knickstellen an allen großen Schwungfedern beobachtet: Diese Mauersegler waren flugunfähig.

Wenn man sich also mit bröseligem Trockenfutter herumplagen will oder muss, darf nur reines Insektenschrot (am besten Firma "aleckwa") verwendet werden.

Regenwürmer

Nicht selten werden junge Mauersegler mit Regenwürmern gefüttert. Regenwürmer sind jedoch keine Insekten, zählen nicht zum Beutespektrum des luftjagenden Seglers und verursachen schwere Verdauungsstörungen. Noch schlimmer allerdings ist, dass sie  bestimmten Parasiten als Wirt dienen. Schon durch einen einzigen Regenwurm kann ein Mauersegler mit den Eiern von Luftröhrenwürmern infiziert werden und einige Tage später erkranken. Man überlasse also tunlichst die Regenwürmer den Staren und Drosseln, die an diese Nahrung angepasst sind!

 

Katzen- oder Hundedosenfutter

Mauersegler, die mit Katzen- oder Hundefutter ernährt wurden, sind meist von Kopf bis Fuß verschmiert, verklebt und verkrustet, stinken erbärmlich, sind völlig unterentwickelt und leiden unter schwersten Verdauungsstörungen. Ihr Gefieder bleibt auch in der Folge lange struppig und glanzlos und besitzt ungenügende Isolierfähigkeit. Ohne ein gut isolierendes Gefieder jedoch wäre ein Mauersegler verloren, der später in mehreren 1000 Metern Höhe fliegend übernachtet, wo zweistellige Minusgrade herrschen. Die diversen ominösen Bestandteile von Katzen- und Hundedosenfutter sind keinesfalls geeignet für das Verdauungssystem eines Insektenessers und können es so schwer schädigen, dass die Vögel sterben oder eingeschläfert werden müssen. Es muss also auch von dieser Futtersorte, auf die besonders in Tierheimen gern zurückgegriffen wird, dringend abgeraten werden!

Junger Mauersegler, qualvoll verendet nach fünfwöchiger Fütterung mit Kanarienaufzuchtfutter. ©. Haupt

Andere Futtermittel

Die obige Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Nichts, das nicht schon - und immer mit verheerenden Folgen! – guten Glaubens an hungrige Jungsegler verfüttert worden wäre: Ob Wellensittich- oder Kanarienkörnerfutter, Zwieback, Haferflocken oder Brot, ob Obst oder Wiener Würstchen, Spaghetti, Porridge, Salami oder gebratenes Schnitzel - alles ist schon vorgekommen, und kaum einer der betroffenen "Unglücksvögel " hat es überlebt. Die Reihe ungeeigneter Futtermittel ließe sich endlos fortsetzen, und einfacher ist es zu sagen: In den Schnabel eines Mauerseglers gehört nur Insektennahrung!

 

 

Links fehlernährter, kot- und futterbreiverschmierter Jungsegler mit schweren Gefiederschäden. Rechts gleichaltriger Vogel nach Grillenaufzucht. Fotos: C. Haupt

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